Das Magazin Einfach für Alle, das sich dem barrierefreien Webdesign verschrieben hat, hat in seinem Blog vor einer Woche einen Beitrag mit dem Titel Wird Web2.0 Oma-kompatibel? veröffentlicht. Der Beitrag stützt sich auf den Blogeintrag Web2.0 nicht Oma-kompatibel, der bereits Anfang Januar im Blog von praegnanz.de erschien.
Abgesehen davon, dass man bei praegnanz.de einmal Picasa und die Google-Web-Alben in Augenschein nehmen sollte, ist den Ansichten voll zuzustimmen. So, wie sich die Web2.0-Society in der Öffentlichkeit bislang präsentiert, mag sie zwar eine mächtige Bewegung sein, doch sie kapselt sich letztlich ab. Im Grunde also wieder das alte Problem der ganzen Computer- und Internet-Branche: Experten und Trendjünger neigen dazu, den Kontakt zum normalen Anwender zu verlieren.
Vieles ist allerdings auch einfach eine Frage der Gewöhnung. Vor zehn Jahren lernten die Anwender, wie man im Browser seine Bookmarks verwalten kann, und heute lernen sie, wie man Social Bookmarks verwalten kann. Damals lernten sie, Verzeichnisse und Suchmaschinen für ihre Recherchen zu nutzen, und heute lernen sie, sich Folksonomy, Tag Clouds und Feeds als Recherche-Instrumente nutzbar zu machen. Wenn sie im Web publizieren wollten, führte kaum ein Weg am Erstellen von statischen HTML-Dateien vorbei, heute eröffnen sie ein Blog und benötigen HTML zwar immer noch, aber eher auf sekundärer Ebene. Die Fotos von den lieben Kleinen wurden früher per E-Mail verschickt, während der Trend jetzt dahin geht, in der E-Mail nur noch den Link zum eigenen Web-Album zu versenden. Wer nicht nur „surfen“ wollte (dieser Begriff ist übrigens mega-out!), benötigte alle erdenklichen Spezial-Clients, für das Usenet, für IRC, und natürlich einen Client für E-Mails. Mittlerweile gewöhnen sich immer mehr Anwender daran, all diese Services web-basiert zu nutzen, da immer mächtigere Webanwendungen und Technologien wie Ajax den Web-Browser allmählich zu einem Internet-Univeral-Client machen. Gerade für Anwender, die hinter einer Firewall sitzen oder die auf ihre Daten von ganz unterschiedlichen Orten und Rechnern zugreifen wollen, sind die neuen, web-basierten Anwendungen häufig ein Segen.
Es ist nicht zu vermeiden, dass bei diesen neuen Webanwendungen auch die Notwendigkeit neuer Termini technici entsteht. An was jedoch – wie auch zu Beginn des Web-Booms – wieder mal zuletzt gedacht wird, ist die Unsicherheit gewöhnlicher Anwender. Nun kann man ja viele der neuen Begriffe in der Wikipedia nachschlagen, wie etwa Mashup, Permalink, Trackback oder SEO. Aber mit dem Verständnis von Begriffen allein ist es nicht getan. Damit das, was sich dahinter verbirgt, konkrete Gestalt annimmt, muss man als Nutzer bereit sein, sich auf die ganzen neuen Webservices einzulassen, sich mal hier und da zu registrieren, und auszuprobieren, was es jeweils tut und taugt. Auf umfassende Beschreibungen zu hoffen ist vermutlich vergebens, da Beschreibungen für Benutzeroberflächen von Webanwendungen noch viel schneller veralten als Beschreibungen für Benutzeroberflächen herkömmlicher Desktop-Anwendungen.
Benötigt wird jedoch Motivation. Ein Normal-Anwender befasst sich eben nur dann mit neuem Computer/Internet-Lernstoff, wenn er einen Nutzen darin sieht. Der beste Weg, um die neuen Realitäten des Web 2.0 zu vermitteln, ist deshalb vermutlich der, nicht mit lauter unbekannten Begriffen anzufangen, sondern mit Wünschen, die ein Nutzer immer schon hatte, aber nie zu äußern wagte. So ein Nutzer wünscht sich vielleicht Verbraucher- und Konsumenteninformation jenseits von Werbung und Testzeitschriften, würde gerne mal wieder mit längst verlorenen Jugendfreunden Kontakt aufnehmen, oder mit noch unbekannten Gleichgesinnten ein Projekt organisieren. Er kennt die Websuche von Google, und er weiß, dass die bei solchen Wünsche nicht weiterhilft. Dieser Benutzer ist ein perfekter Kandidat für das Web 2.0. Vermutlich genügen ein paar Adressen, eine kurze How-To-Beschreibung und ein paar aussagekräftige, auf ihn zugeschnittene Screenshots, um ihn genügend zu motivieren.
Möglicherweise lassen sich die Omas sogar einfacher motivieren als einige alteingesessene Netzbewohner, die keiner Webanwendung trauen, die sie nicht selbst programmiert haben.